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Dieser Foto-Blog berichtet aktuell über interessante Erfahrungen, Neuheiten und Ideen in der Landschafts- und Naturfotografie.

 

Das verlassene Stasi-Krankenhaus

Seit mehreren Jahren arbeite ich an einem Projekt zum Thema „Verlassene Räume“, in dem verwaiste Bauwerke aus der Zeit der Industrialisierung und späteren Epochen porträtiert werden. Mich interessiert besonders die Ästhetik des Vergänglichen, Provisorischen und Morbiden. In den meisten "lost places" haben die Alterungs- und Witterungsprozesse über die Jahre Objekte mit bemerkenswertem ästhetischem Wert geschaffen und so entstand die spannende Aufgabe, mit den Mitteln der Fotografie diese "Ästhetik des Zerfalls" zu visualisieren. Im Gegensatz zu den „aufgeräumten“ und auf Zweckmässigkeit reduzierten Strukturen moderner architektonischer Gebäude entfalten marode Bauwerke durch den Verlust ihrer ursprünglichen Funktion einen besonderen Reiz. Die Fotografie schafft so etwas wie eine bildnerische „Wiederbelebung“ von verlassenen oder ihrer ursprünglichen Bestimmung „beraubten“ Räumen. 

Das im folgenden beschriebene Objekt gehört zu solchen verwaisten Bauwerken, stammt allerdings nicht aus der Zeit der Industrialisierung sondern ist erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden. Schon 30 Jahre später war diese gigantische Anlage bereits wieder verlassen! Die durch die politischen Veränderungen erzwungene kurze Nutzungsdauer erzeugt beim Besucher ein beklemmendes Gefühl, die Art der Architektur gehört immer noch zum gegenwärtigen Alltag und ist trotzdem bereits dem Zerfall unterworfen. Der offiziell als "Regierungskrankenhaus der DDR" bekannte gigantische Gebäudekomplex war schon zu seinen belebten Zeiten ein geheimer Ort und liegt verborgen hinter dichten Bäumen am Stadtrand von Berlin. 1976 fertig gestellt rankten sich bald unzählige Gerüchte um diese Einrichtung: So wurde davon berichtet, dass überall Schalen mit Südfrüchten herumstanden und das die Ärzte in West-Mark bezahlt wurden. Zeitzeugen erinnern sich noch heute an die traumhafte Ausstattung des Hauses. Fast die gesamte technische Ausrüstung kam aus dem Westen, meist von Siemens. In den Bettenzimmern und Appartements standen Ledersofas und Fernseher. Für den Fall, dass ein bestimmtes Medikament nicht vorhanden war, wurde von der Stasi eine sofortige Besorgungsfahrt nach West-Berlin veranlasst. Spätestens 2 Stunden später konnte es dann dem Patienten verabreicht werden.

Zu DDR-Zeiten war diese Anlage militärisch streng bewacht. Behandelt wurden ausschließlich die Mitglieder der Regierung, des SED-Zentralkomitees und des Politbüros, Staatssekretäre, ausländische Diplomaten, Staatsgäste sowie die Angehörigen hoher SED-Funktionäre. Modernste diagnostische und therapeutische Funktionseinheiten mit Geräten und Medizin aus dem Westen, garantierten eine stationäre und ambulante Behandlung auf höchstem Niveau. Für die wichtigsten Regierungsmitglieder, wie Erich Honecker, gab es sogar einen Sonderpavillon mit einer autarken Bunkeranlage für den Ernstfall. Gleich neben dem monströsen Plattenbau des Regierungskrankenhaus wurde zur selben Zeit ein weiterer grosser Komplex errichtet. Nicht minder groß, aber noch geheimer entstand hier das Krankenhaus des MfS, heute auch Stasi-Krankenhaus genannt. Dieses Areal wurde gesondert bewacht und fungierte als vollkommen eigenständige Anlage für Mitarbeiter des MfS. Hier wurde jedoch auch eine spezielle, noch luxuriösere Station nur für Staatsratsmitglieder eingerichtet.

Der Zustand der verlassenen Häuser ist heute bedingt durch Vandalismus sehr schlecht. Dennoch findet man in dem riesigen Komplex unzählige Foto-Motive. In den verlassenen OP-Sälen liegen Medikamentenfläschchen in den Regalen, im OP-Bunker für hohe Regierungsmitglieder gibt es unterirdische Versorgungsanlagen und einen Operationsraum für den Ernstfall. In der Intensiv-Station für Kinder findet man sogar Kinderkleidung aus den 70er Jahren und liebevolle Malereien an den Wänden. 

Weiterführende Links: Beelitz-Heilstätten, Die verbotene Stadt, Bildergalerie Lost Places